Datum: 09.11.2000
Ressort: Lokalanzeiger
Autor: Evelin Süß

Stehlen, kiffen, pöbeln – Szenen aus dem Alltag von Jugendlichen
Jugendtheaterwerkstatt Spandau präsentiert neues Stück «Clämoarr!»

Falkenhagener Feld – Grell scheint das Licht in den Park. Ein Mädchen sitzt auf einer Bank. Zwei angetrunkene Jungs kommen vorbei. «Geile Titten», pöbelt einer der beiden, Micha, das Mädchen Chrissy an. «Verpiss dich», knurrt sie. Micha lässt die Rüpelei nicht. Chrissy sprüht ihm Tränengas in die Augen. Dann geht sie auf Willy, Michas Kumpel, los. Nimmt ihm die Sporttasche weg. Willy wird zornig. Er wirft Chrissy zu Boden. Eine kleine Prügelei beginnt.

Der Park ist in Wirklichkeit ein Probenraum im Jugendfreizeitheim Klubhaus an der Westerwaldstraße. Die Gewalttätigkeiten zwischen den Jugendlichen sind gespielt. Die Szene stammt aus dem Dreiakter «Clämoarr!» von David Spencer, einer neuen Produktion der Jugendtheaterwerkstatt Spandau.

Christine Siemund und Figen Türker gehören zu den sieben Darstellern, mit denen Regisseur Serdal Karaça derzeit für Aufführungen von «Clämoarr!» probt. Thema des Stückes sind verschiedene Formen von Gewalt. Karaça hat es gewählt, «weil mir gefällt, dass Täter und Opfer nicht auf einzelne Personen festgelegt sind». Wichtig sei, dass die Gewalttat immer wieder auf denjenigen zurückwirke, der sie ursprünglich verübt hat. Das hat Regisseur Karaça bereits an seinem Regiedebüt «Wilde Hunde» umgesetzt, einer Adaption von Quentin Tarantinos Film «Reservoir Dogs».

Der erste Teil von «Clämoarr!» handelt von einer erfundenen Jugendgang. Eine solche könnte sich in Wirklichkeit aber in jedem Spandauer Park treffen. Denn um die Treffs von Spandauer Jugendlichen näher kennen zu lernen und im Stück umzusetzen, haben sich Karaça und Dramaturg Volker Hornung mit Polizisten des Fachkommissariats Jugendgruppengewalt unterhalten. Solche Informationen haben die Theaterleute für «Clämoarr!» übernommen. Sie schildern den Alltag der Jugendlichen wie eine scheinbar ewige Wiederholung aus stehlen, kiffen, pöbeln, Frust und Lust.

Das wird durch den Neofaschisten Philipp Austerlitz gestört, gespielt von Roland Bohr, dem einzigen Berufsschauspieler in dieser Inszenierung. Der zweite Akt spielt in einem fiktiven asiatischen, vom Bürgerkrieg zerrissenen Land. Im dritten Teil sollen die beiden vorangegangenen miteinander verbunden werden.

Autor Spencer hat das Stück im Original «Clamor», deutsch: Geschrei, genannt. Daraus wurde für die Produktion der Jugendtheaterwerkstatt «Clämoarr!» Dramaturg Hornung, der das Stück aus dem Englischen übersetzt hat, weiß, warum der Originaltitel verändert wurde: «Der Zuschauer soll Clamor nicht mit Glamour verwechseln.» Die Besucher können sich bei der Premiere am Sonnabend, dem 11. November, um 20 Uhr im Klubhaus, Westerwaldstraße 13, davon überzeugen.